James Bond und die Wissenschaft
Die James-Bond-Filme wurden nicht zuletzt deshalb zu einem so großen Erfolg, weil sie zur passenden Zeit die Möglichkeiten des Mediums Film auf neuartige Weise nutzten. Nach den düsteren Agentenfilmen in den 30er und 50er Jahren sowie den Monumentalfilmen wie Quo vadis (1951), Das Gewand (1953), Die zehn Gebote (1956), Salomon und die Königin von Saba (1959), Spartacus (1960), Ben Hur (1963) oder Kleopatra (1963) wurde dem Publikum ein anderer Typ Film vorgesetzt. 007 – James Bond war bunt und laut, mit einem Protagonisten, der einem Comic-Helden glich – unbesiegbar und immer wie aus dem Eigepellt. Schnelle Autos, Spielcasinos und schöne Frauen gehörten ebenso dazu, wie Bonds „Lizenz zum Töten“. Eine aus der Werbung übernommene Schnittechnik, die grandiosen Filmsets von Ken Adams und rasante Kamerafahrten machten die Filme zu einem Erlebnis. Wissenschaft hatte in diesen Filmen auf den ersten Blicknur eine geringe Bedeutung.
Sieht man sich die Filme aber genauer an, stellt man fest, dass in 18 von 20 Filmen Wissenschaft eine Rolle spielt – wenn auch in drei von ihnen nur eine sehr kleine. Anders als in Filmen wie Jurassic Park (1995–2002) oder Dr. Frankenstein (1933) steht Wissenschaft bei James Bond niemals im Zentrum. Sie ist nicht Teil der so genannten „Bond-Formel“ (die Produzenten sprechenvom „Bondian-Film-Making“) wie zum Beispiel die technischen Spielereien, Verfolgungsjagden, exotischen Orte oder die so genannten Bond Girls und hat daher auch keinen Einfluss auf den Erfolg der Filme. Auch die „wissenschaftsfreien“ Streifen – wie From Russia With Love (1963) oder Octopussy (1983) – zogen ein Massenpublikum an.
Warum tauchen dennoch in den meisten Bond-Filmen Wissenschaftler und vor allem Wissenschaftlerinnen auf? In Anlehnung an die oben skizzierten Positionen von Krakauer und Luhmann lässt sich vermuten, dass darin eine Reaktion der Produzenten auf sich verändernde gesellschaftliche Verhältnisse und Erwartungshaltungen zu sehen ist. Dies gilt umso mehr, als die Produzenten und Regisseure der James-Bond-Filme selten künstlerisch ambitioniert sind. Diese Filme sollen Geld einspielen und müssen daher ein möglichst breites Publikum begeistern.
Dies wiederum bedeutet, dass die ganze Produktion auf die (vermuteten) Erwartungen und die Wünsche der Zuschauer ausgelegt ist. Was also sagt es über die Wissenschaft in der Gesellschaft aus, wenn sich der Stellenwert der Wissenschaft in James-Bond-Filmen verändert?
„Mad Scientists“ und „emanzipierte“ Bond Girls
Auch wenn Wissenschaft nicht das zentrale Thema der James-Bond-Filme ist, fallen dem geübten Bond-Zuschauer dennoch schnell Bezüge auf Wissenschaft ein. Auf der einen Seite ist Q mit seinen Gadgets zu nennen. Der zerstreute, bierernste und spröde wirkende Kittelträger passt mit seinem grauen Haar gut in das massenmediale Klischee vom Wissenschaftler. Seine technischen Spielereien haben Geheimdienst-Chefs ins Schwärmen gebracht und helfen Bond aus zumeist aussichtslosen Situationen. Auf der anderen Seite stehen die typischen „Mad Scientists“ wie Dr. Frankenstein oder Dr. Moreau. In den James-Bond-Filmen heißen sie Dr. No (Dr. No 1962), Dr. Carl Mortner (A View To A Kill 1985) oder Boris Gruchenkow (Goldeneye 1995).
Dabei macht der „Mad Scientist“ im James-Bond-Film eine interessante Entwicklung durch. Handelt es sich bei Dr. No noch um einen klassischen „Mad Scientist“ – das verkannte Genie, das aus Enttäuschung der Welt zeigen will, wozu es fähig ist, und versucht, ihr seine Herrschaft aufzuzwingen – wandelt sich das Bild später. Die Wissenschaftler sind in den neueren Filmen nur noch Werkzeuge und Handlanger des Bösen, die niemals angesehene Mitglieder der scientific community waren, sondern nach einem frühen Scheitern der wissenschaftlichen Karriere kriminell wurden. Sie handeln, anders als noch Dr. No, nicht aus gekränkter Eitelkeit, sondern aus persönlicher Profitgier.
Die auffälligste Entwicklung macht das Bond Girl durch. Die naive gescheiterte Existenz, die in Bonds Männlichkeit eine starke Schulter zum Anlehnen findet, wandelt sich im Laufe der 70er Jahre zu einer Protagonistin, die sich – wenn auch nicht wirklich emanzipiert – vom Anhängsel zu einer Partnerin entwickelt. Auch wenn immer noch klar ist, wer das Sagen hat, stellen Tony Bennett und Janet Woollacott fest, dass die Emanzipationsbewegung nicht ganz spurlos am James-Bond-Film vorbeigegangen ist.
Dieser Wandel wird in der Eröffnungsszene von The Spy Who Loved Me (1977) deutlich. In einem Schlafzimmer liebt sich ein Pärchen. Als das Telefon klingelt, stellt sich heraus, dass in diesem Fall die russische Agentin Major Amasova „Tripple X“ „die Hosen an hat“ und – wie sonst James Bond – aus dem Bett zu einem Einsatz gerufen wird.
Im darauffolgenden Film Moonraker (1979) ist das Bond Girl die Wissenschaftlerin Dr. Holly Goodhead (Lois Chiles), die – wie sich im Laufe des Films herausstellt – von der CIA ist. Mit James Bond spielt sie den ersten Teil des Films über ein klassisches Katz-und-Maus-Spiel. Sie verrät ihm nur so viele Informationen, wie er wissen muss, und erst gegen Ende nimmt diese „Beziehung“ die typisch Bondsche Wendung. Auch wenn in den 80er Jahren einige Bond Girls wieder in den alten „Schön-undniedlich“-Rollentyp zurückfallen, wie zum Beispiel die tschechische Cellistin und KGB-Auftragskillerin Kara Millowa in Der Hauch des Todes (1987), bleibt der Trend zum „starken“ Bond Girl erhalten.
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Im Original erschienen in „Forschung an der Universität Bielefeld 27/2004„